Was sind Mediale Historiographien?

Das Arbeitsfeld der Medialen Historiographien ergibt sich aus der Überkreuzung von zwei Fragerichtungen: der nach den „Medien der Geschichte“ und der nach der „Geschichte der Medien“.

Gefragt wird also einerseits nach der medialen Verfasstheit von „Geschichte“: Wie und durch welche (massen-)medialen Selektionsprozesse werden bestimmte Ereignisse als „historische Ereignisse“ konstituiert; durch welche Aufzeichnungs- und Speichertechniken vollzieht sich die Überlieferung und Anordnung historischer Daten; in welcher Weise bringen „Neue Medien“ (vom Buchdruck über den Film bis zum Internet…) jeweils andere Chronologien und Erzählweisen – und damit auch neue Auffassungen des „Historischen“ – hervor? Solche Fragestellungen lassen sich als „metahistorisch“ kennzeichnen: Es handelt sich darum, die Verfahren der Geschichtsschreibung und die Erkenntnisweisen der Geschichtswissenschaft nach ihren medialen Voraussetzungen zu befragen.

Zweitens beschreibt „Mediale Historiographie“ den Versuch einer Mediengeschichtsschreibung, die – anders als dies z.T. in der deutschen Tradition der Medienwissenschaft gängig ist – nicht heutige technische Medienbegriffe in die Vergangenheit projiziert, sondern historische Vermittlungsverhältnisse in ihrer jeweiligen Besonderheit zu erfassen versucht. Anstatt ihr Objekt („die Medien“) als gegeben hinzunehmen, bemüht sie sich, die vielfältigen und verzweigten Prozesse zu rekonstruieren, durch die Medien sich konstituieren und als solche erkennbar werden.

Geht es also in der einen Blickrichtung („Medien der Geschichte“) um die Spur des Medialen in der Verfertigung von Geschichte, so handelt es sich hier („Geschichte der Medien“) entsprechend um den Eintrag des Geschichtlichen ins Medium, d.h. um die Frage nach dem Medien-Werden der Medien, ihrer Konstitution als geschichtliche Gegenstände, die selbst wiederum Geschichten generieren.